Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Klaus Fischer-Appelt (ELS)

 

Was macht eigentlich...ein Professor am Institut für Endlagersicherheit an der FRE?

Prof. Fischer-Appelt Urheberrecht: © FRE

Das Interview mit Prof. Fischer-Appelt führte Sabine Backus.

S. B.: Ganz herzlich willkommen bei der Fachgruppe für Rohstoffe und Entsorgungstechnik, Herr Prof. Klaus Fischer-Appelt!

F.-A.: Naja, eigentlich können wir auch hier beim Du bleiben!

S. B.: Gerne! Wir freuen uns sehr, Dich bei uns in Aachen begrüßen zu dürfen, auch wenn Dein Start coronabedingt sicher etwas anders aussieht als erwartet.

Du hast am 1. November das Institut für Nukleare Entsorgung und Techniktransfer (NET) übernommen, das seit der Pensionierung von Herrn Prof. Thomauske für mehrere Jahre kommissarisch durch Prof. Preuße geleitet wurde. Würdest Du Dich unseren Studierenden und Mitarbeiter*innen kurz vorstellen?

F.-A.: Na klar, sehr gerne. Ich heiße Klaus Fischer-Appelt, bin 56 Jahre alt, verheiratet und habe 3 Kinder.

Ich bin gebürtiger Aachener und habe an der RWTH von 1986 bis 1993 Geologie studiert. In meiner Diplomarbeit habe ich mich mit hydrochemischen und hydrogeologischen Untersuchungen zur Bewertung und Eingrenzung von Verunreinigungen im Grundwasser durch leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe in Düsseldorf-Nord beschäftigt.

1994, nach meinem Studium, bin ich zur Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln gewechselt. Die GRS ist eine gGmbH, die in allen Fragen der nuklearen Sicherheit für Aufsichts- und Genehmigungsbehörden des Bundes und der Länder tätig ist. In den ersten Jahren habe ich dort auf einer Promotionsstelle gearbeitet. Inhalt meiner Promotion war die Anwendung von Methoden und Recheninstrumentarien für den Langzeitsicherheitsnachweis für Endlager, in „abgespeckter“ Form für den Langzeitsicherheitsnachweis für Bergwerke mit Reststoffversatz im Rahmen eines größeren BMBF-Verbundprojektes. Die Promotion lief übrigens auch an der RWTH.

Danach bin ich von der GRS in eine Festanstellung übernommen worden und habe dort 26 Jahre lang gearbeitet.

Meine Arbeitsschwerpunkte waren unter anderem

  • Beratung des Bundesumweltministeriums im Genehmigungsverfahren zur Stilllegung des Endlagers Morsleben
  • Implementierung von analytischen Ansätzen zur Beschreibung von Sorptionsvorgängen von Radionukliden an verschiedenen Geomaterialien in Rechenprogramme zur Simulation des Transportes gelöster Radionuklide im Untergrund
  • Erarbeitung einer Methodik zum sicherheitsgerichteten Vergleich von Endlagersystemen in verschiedenen Wirtsgesteinen (Steinsalz, Tonstein, Kristallin)
  • Vergleich von Sicherheitsanforderungen für Endlager in verschiedenen Ländern

2009 habe ich die Leitung der Abteilung Endlagerung in der GRS übernommen.

Von 2010 bis 2013 war ich Projektleiter des Forschungsgroßvorhabens „Vorläufige Sicherheitsanalyse für den Standort Gorleben“. Hierbei ging es um eine umfassende Endlagersystemsicherheitsanalyse nach Stand von Wissenschaft und Technik unter Berücksichtigung der damals neu in Kraft gesetzten „Sicherheitsanforderungen an die Endlagerung wärmeentwickelnder Abfälle“ des Bundesumweltministeriums. An diesem Vorhaben haben sich neben 7 weiteren Institutionen auch mehrere Institute der RWTH Aachen sehr erfolgreich beteiligt. Für mich war das ein Glücksfall, weil ich dadurch wieder Kontakt zur Hochschule hatte. Diesen hatte ich kurz nach meiner Arbeitsaufnahme in der GRS verloren, hauptsächlich, weil die Professoren, bei denen ich gelernt habe, fast gleichzeitig emeritiert sind.

S. B.: Was erwartest Du Dir vom Wechsel zur RWTH Aachen? Was sind Deine Pläne?

F.-A.: Na ja, als langjähriger „Endlagerer“ bin ich überzeugt, dass die jetzige Gesellschaft die Verantwortung hat, die mit den nuklearen Hinterlassenschaften der Nutzung der Kernenergie verbundenen Herausforderungen jetzt anzupacken und sie nicht mehr als unvermeidbar zukünftigen Generationen überlassen darf.

Ich sehe durchaus grade im jetzigen Verfahren zur Suche eines Endlagerstandortes für hoch radioaktive Abfälle, dass die verantwortlichen Institutionen einen Riesenbedarf an Unterstützung aus der Forschung und an hochqualifizierten Nachwuchswissenschaftlern haben. Insofern habe ich mir gedacht, dass ich nach 26 Jahren Arbeit für die Endlagerung und der damit einhergehenden fachlichen Erfahrung auch in der Lehre nützlich werden könnte und mein bislang angehäuftes Wissen in den noch verbleibenden Berufsjahren ein wenig versprühen könnte. Dies war meine Hauptmotivation, mich auf die ausgeschriebene W3-Professur zu bewerben.

Ich habe mir vorgenommen, entscheidend dazu beitragen, dass einerseits der Name RWTH Aachen University im Bereich der Endlagerung als unbestritten ausgezeichnetes Qualitätsmerkmal für hochqualifizierte und verantwortungsvolle wissenschaftliche Nachwuchskräfte steht und die Hochschule eine führende Rolle im Bereich der Endlagerforschung einnehmen wird. Mit anderen Worten: Ich möchte darauf hinwirken, dass die RWTH eine Institution wird, an der man in puncto Lehre und Forschung in der Endlagerszene nicht mehr vorbeikommen wird.

S. B.: Wir haben gehört, dass Du das NET umbenennen wirst. Verrätst Du uns den neuen Namen und erzählst uns etwas zu den Beweggründen für die Umbenennung?

F.-A.: Klar, ist kein Geheimnis, der neue Name lautet „Lehrstuhl für Endlagersicherheit“. Der Name soll halt die Lehrinhalte verkörpern, die der Schwerpunkt des geplanten Studienganges sind. Also die Endlagerung radioaktiver Abfälle und die gesamten wissenschaftlich-technischen Aspekte, die damit verbunden sind. Beim NET gibt es zwar auch Lehr- und Forschungsinhalte, die auf das Thema Entsorgung radioaktiver Abfälle abzielen, es sind aber nur Teilgebiete dessen, was ich unter dem umfassenden Themenkomplex Endlagerung verstehe.

S. B.: Die zügige Endlagerung von radioaktiven Abfällen ist eine der wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben der Gegenwart und eine große Herausforderung. Der wissenschaftliche Nachwuchs in diesem Bereich ist aber relativ dünn gesät. Eine Frage, die unsere Studierenden sicher besonders interessiert: Es ist ja ein neuer Masterstudiengang geplant. Wie ist da der Stand der Dinge?

F.-A.: Mein Kollege Frank Charlier und ich sind grade emsig dabei, die Lehrinhalte des NET neu auszurichten und den neuen Masterstudiengang aus der Taufe zu heben. Leider dauert die Etablierung eines derartigen Studiengangs seine Zeit: Unsere Hoffnungen, im WS 2021 starten zu können, haben sich inzwischen zerschlagen, es wird wohl doch erst 2022 klappen. Allerdings besteht jetzt schon im Bachelorstudienganges „Nachhaltige Rohstoff- und Energieversorgung“ im Rahmen der Wahlplichtveranstaltung „Endlagerkonzepte“ die Möglichkeit, den weisen Worten von Charlier & Fischer-Appelt® zu lauschen! (lacht)

Generell gilt: Die Beschäftigung mit dem Thema Endlagerung hat Zukunft. Nehmen wir einmal an, es gelänge tatsächlich, so wie im Standortauswahlgesetz gefordert, einen Standort für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle zu finden, so müsste dieser sich noch einem mehrjährigem Genehmigungsverfahren unterziehen. Zusammen mit der notwendigen Errichtung der Endlagerinfrastruktur könnten wir frühestens im Jahr 2045 mit der Einlagerung von Abfallbehältern beginnen, eine Prozedur, die (ohne nennenswerte betriebliche Störungen) mal locker 40-60 Jahre in Anspruch nehmen wird. Der danach erfolgende Verschluss des Endlagers wird auch noch einmal 10-20 Jahre dauern. Also selbst bei zeitlich optimistischen Schätzungen kommen wir auf jeden Fall mit der Sache ins nächste Jahrhundert hinein: Arbeit für Generationen.

Bei der Gestaltung des neuen Masterstudiengangs ist es uns wichtig, die Vermittlung des Stoffes anschaulich und eingängig zu gestalten. Wir planen, unsere Lehre auch im Sinne des Blended Learning durch gezielten Medieneinsatz modern und flexibel zu gestalten. Ich bin gespannt, was da alles möglich ist. Trotzdem hoffe ich, dass wir bald Mr. SARS-CoV-2 entscheidend in die Knie gezwungen haben und wieder face-to-face-Vorlesungen stattfinden können. Mit den doch recht unpersönlichen Zoom-Begegnungen tue ich mich schwer, insbesondere, weil ich so von den Studierenden technisch bedingt sehr wenig Feedback bekomme. Aber genau das bräuchte ich eigentlich im Moment als professoraler Neuling.

Das ist aber echt der einzige Wehrmutstropfen. Insgesamt fühle ich mich hier an der RWTH beängstigend wohl, habe einen Riesenspaß an der Arbeit, bei der der große Gestaltungsspielraum bei mir manch kreative Ader anschwellen lässt und genieße den sehr netten Umgang mit den Kolleginnen und Kollegen, die mich sehr herzlich hier aufgenommen haben und auf die ich mich jeden Morgen wieder freue, wenn nicht grade Wochenende ist.

S. B.: Herzlichen Dank für das informative Gespräch und einen guten Start in Aachen!